In einer primitiven Gesellschaft ist die »Welt« mit dem Stamm identisch. Der Stamm steht sozusagen im Mittelpunkt des Universums; alles außerhalb von ihm ist schattenhaft und besitzt kein unabhängige Existenz. In der mittelalterlichen Welt war das Universum weit größer. Es umfasste unseren Erdball, den Himmel und die Sterne über ihm. Aber die Erde stand im Mittelpunkt, und der Mensch war der Zweck der Schöpfung. Alles hatte seinen festen Platz, genau wie jedermann seine feste Position in der feudalen Gesellschaft hatte. Mit dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunder eröffneten sich neue Horizonte. Die Erde verlor ihren Platz im Mittelpunkt des Universums und wurde zu einem der Satelliten der Sonne; neue Kontinente wurden entdeckt, neue Seewege wurden gefunden; das statische Gesellschaftssystem lockerte sich immer mehr auf, alles und jedermann geriet in Bewegung. Aber bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte Natur und Gesellschaft ihre Konkretheit und ihre umrissene Gestalt noch nicht verloren. Der Mensch hatte die Natur und die gesellschaftliche Welt noch fest in der Hand, sie besaßen noch ihre festen Konturen.
Aber mit dem Fortschritt des wissenschaftlichen Denkens, mit den technischen Entdeckungen und der Auflösung aller traditionellen Bindungen gingen diese umrissene Gestalt und diese Konkretheit allmählich verloren. Ob wir an unser neues Weltbild oder an die theoretische Physik, an die atonale Musik oder die abstrakte Kunst denken – unser konkreter, fest umrissener Bezugsrahmen ist im Verschwinden begriffen. Wir stehen nicht mehr im Mittelpunkt des Universums, wir sind nicht mehr Zweck der Schöpfung, wir sind mehr mehr die Herren einer beherrschbaren und erkennbaren Welt – wir sind ein Staubkörnchen, ein Nichts irgendwo im Raum ohne eine konkrete Beziehung irgendeiner Art zu irgend etwas.
Wir sprechen davon, dass Millionen Menschen getötet werden, dass ein Drittel oder mehr unserer Bevölkerung ausgelöscht wird, wenn es zu einem dritten Weltkrieg kommen sollte; wir sprechen von einer nationalen Verschuldung von Milliarden Dollar, von Tausenden von Lichtjahren in Bezug auf die interplanetarischen Entfernungen, von der Raumfahrt und von künstlichen Satelliten. Zehntausende arbeiten in einem einzigen Unternehmen. Hunderttausende leben in Hunderten von Städten. Die Dimensionen, mit denen wir es zu tun haben, sind Zahlen und Abstraktionen; sie gehen weit über die Grenzen hinaus, die wir noch konkret erleben können. Wir haben kein Bezugssystem mehr, das wir beherrschen, das wir beobachten können und das unseren menschlichen Dimensionen angepasst wäre. Während unsere Augen und Ohren nur Eindrücke aufnehmen, die den von uns beherrschbaren Proportionen entsprechen, hat unser Weltbild eben diese Qualität verloren; es entspricht nicht mehr unseren menschlichen Dimensionen.
Wissenschaft, Geschäftsleben und Politik haben alle Grundlagen und Proportionen eingebüßt, die für den Menschen einen Sinn haben. Wir leben in Zahlen und Abstraktionen. Da nichts mehr konkret ist, ist nicht mehr real. Alles ist möglich – praktisch möglich und moralisch möglich. Die Science Fiction unterscheidet sich nicht mehr von den den wissenschaftlichen Tatsachen, Alpträume und andere Träume unterscheiden sich nicht mehr von den Ereignissen des nächsten Jahres. Der Mensch hat seinen festen Platz verloren, von dem aus er sein Leben und das Leben seiner Gesellschaft überblicken und beherrschen konnte. Er wird von Kräften, die er ursprünglich selbst ins Leben gerufen hat, schneller und schneller vorangetrieben. In diesem wilden Wirbel denkt er und plant er eifrig in seinen Abstraktionen, die sich immer weiter von seinem konkreten Leben entfernen.