Mein Informant war nicht sehr gesprächig.
Natürlich wolle man das nicht unbedingt an die große Glocke hängen.
Warum die Leute beunruhigen?
Dazu gäbe es ja auch keinerlei Grund.
Schon gar nicht bei einer so kleinen Anlage, nur für die Forschung genutzt. Man wolle sich schließlich nicht abhängen lassen auf diesem Gebiet und überhaupt solle man lieber mal über den Nutzen reden, die gigantischen Möglichkeiten.

»Restrisiko? Zu keinem Zeitpunkt bestand eine Gefahr für Personal oder Anwohner.
Das Gebäude wurde für alle erdenklichen Störungen ausgelegt. Es wurde sogar dafür gesorgt, dass das Gelände nicht überflogen wird.
Mehr Sicherheitsmaßnahmen als notwendig.«
In allen Nachbargebäuden könne ganz normal gearbeitet werden, ohne jede Schutzkleidung oder besondere Überwachung. In den Wohngebieten sei also überhaupt nichts zu befürchten.

In den Wohngebieten sei überhaupt nichts zu befürchten.

»Restrisiko. Das gibt es auch beim Überqueren der Straße. Bleibt ja auch keiner Zuhause deswegen.
Jede Autofahrt ist riskanter als unser Reaktor.
Bei jedem Flug bekommen Sie mehr Radioaktivität ab.«

In den Wohngebieten ...

In den Wohngebieten sei nichts zu befürchten.

Mitten in unserer Stadt


Inmitten unserer Stadt
steht ein Reakor
schon vor längerer Zeit
damals noch ohne Schutzmantel gebaut
und fällt deshalb kaum auf



Durch seine Strahlung fordert er
ein Opfer pro Tag
(im Durchschnitt natürlich)
Fast wie früher die Ungeheuer und Drachen
Nur waren die in den Bergen oder den Wäldern
weit draußen


Und die davon wissen
die im Reaktor arbeiten
bewahren Stillschweigen
da sie doch dort ihre Arbeit haben
Und einer von 250.000
ist auch nicht viel.





Ihr Spaziergänger am Abend
Ihr Hundehalter auf euren Routen



Ihr Versicherungsnehmer
Ihr Titelverteidiger
Ihr Talentierten

Ihr Hobbygärtner
Ihr Kneipenbesucher
Und ihr, die ihr euch nicht die Laune verderben lasst


Ihr politisch Interessierten
Ihr Bandleader
Ihr Falschparker
Ihr Karnevalisten mit euren Orden

Ihr Liebhaber
Ihr Mitglieder
Ihr Kenner britischer Besatzungsausgaben
Und ihr, die ihr schwört auf Vinyl

Ihr mit den gebrochenen Herzen
Ihr Wartenden in den Fluren der Ämter
Ihr Aufpasser an den Schaltpulten
Und ihr mit den Patenkindern in Afrika
und in Bangladesch

Ihr Zeugen Jehovas
Ihr mit der Heimat in Übersee
Und ihr mit dem Wunsch, Astronauten zu werden, wenn ihr mal groß seid

Ihr Traumfrauen
Ihr Obdachlosen
Ihr Verantwortlichen in gehobener Position


Ihr Lügner
Ihr Träumer
Ihr mit der Wohnung in der dritten Etage


Ihr, die ihr fünf verschiedene Krawattenknoten beherrscht
Ihr, die ihr den Überblick verloren habt
Ihr mit den unsortierten Urlaubsfotos
Ihr Fremden ohne Arbeit und Geld
Und ihr mit dem Wunsch, Astronauten zu werden, wenn ihr mal groß seid




Ein Opfer pro Tag